Verbindungsgeschichte der Kyburgia Biennensis

(Auszug aus der Chronik)


Vorwort: Die Studentenverbindung «Kyburgia Biennensis» ist aus der «Stenographia Tech. Biel» hervorgegangen. Es ergibt sich demnach die Notwendigkeit, vorerst kurz auf die Geschichte dieses Schülervereins einzutreten.

I. Stenographenverein «Stenographia Tech. Biel»

1. Gründung: Nach heftigen Fehden einigten sich im Jahre 1897 die beiden Gegner, die «Schreyaner» und die «Stolzeaner» auf ein gemeinsames System, das «Einigungssystem Stolze-Schrey». Diese Fusion brachte dem «Allgemeinen Schweizerischen Stenographenverein» einen mächtigen Auftrieb.
Er suchte nun auch die Jugend für die Stenographie zu begeistern und veranstaltete an Mittelschulen Kurse und gründete Vereine. Am Seminar Küsnacht entstanden im gleichen Jahre zwei Stenographenvereine, die «Cuosa» und die «Stenographia».
Am Seminar Küsnacht war es denn auch, wo sich der nachmalige Zürcher Regierungsrat, Jakob Kägi v/o Bummel, das Rüstzeug zu einem tüchtigen und begeisterten Stenographen holte. Nach seinem Eintritt in die «Eisenbahnerschule» des Tech. Biel eröffnete er Kurse, in denen er rund 80 seiner Mitschüler unterrichtete. Im Frühling 1905 gründete er den «Allgemeinen Stenographenverein Tech. Biel» und im gleichen Jahre, als Verein im Verein, die «Stenographia».
Einige Jahre später, als Bummel schon Nationalrat war, setzte er es durch, dass die Stenographie obligatorisches Schulfach im ersten Semester der Eisenbahn- und Postschule wurde. Dieser äussere Erfolg barg den Keim des Niederganges in sich: Die jungen «Stenographianer» konnten ein Schulfach nicht mehr als Verbindungsideal anerkennen.

2. Niedergang: Der Besuch von Stenographiestunden ausserhalb der Schulzeit war zu einem «Muss» geworden, um das sich jeder zu drücken suchte. Bald erlangte die Zahl der Aktivmitglieder nicht einmal mehr hin, um die Chargen der «Stenographia» zu besetzen. Ein in der Praxis stehender Altherr, Pauli v/o Mars übernahm das AP, um mit den zwei Füchsen und einigen Conkneipanten den Vereinsbetrieb aufrecht zu erhalten.
Es kamen zwar auch wieder bessere Zeiten, in der die «Aktiva» wieder erstarkte. Allein mit der Begeisterung für die Stenographie war es im grossen und ganzen vorbei. Die unerquicklichen Auseinandersetzungen an den Altherren-Versammlungen, unter Traktanden «Aktiva und allgemeiner Verein», sind wohl jedem Ehemaligen noch in Erinnerung.

3. Standortwechsel und Krise: Während sich die «Stenographianer» bis anfangs der 40er Jahre fast ausschliesslich aus Schülern der Verkehrsabteilung rekrutierten, vollzog sich mitten in den Kriegsjahren ein Wechsel.
Die «Stenographia» fasste Fuss in den technischen Abteilungen und bestand nach einiger Zeit ausschliesslich aus angehenden Technikern. Diese hatten beim Eintritt ins Technikum gewöhnlich schon eine Lehrzeit hinter sich und sassen begreiflicherweise nur ungern mit 16jährigen Verkehrsschülern am Biertisch.
Mit 20 Aktiven der technischen Abteilungen begann die «Stenographia» das Sommersemester 1945. Vom alten Schülerverein waren aber nur noch der Name und die Farben geblieben, der Geist hatte sich vollständig gewandelt. Eine richtiggehende Studentenverbindung war entstanden, welche die alten studentischen Bräuche wieder einführte und einen strengen Comment handhabte. Da sich die Stenographie zu Eintragungen in den Heften des Technikers nur schlecht eignet, erlahmt das Interesse daran fast vollständig. Die obligatorische Konkurrenzaufgabe im Herbst 1945 wird von 50% der Aktiven überhaupt nicht und von den anderen nur liederlich gelöst. Man sucht nach einem anderen Verbindungsideal und unterbreitet der Altherrenversammlung den Antrag, die Statuten zu revidieren und aus dem «Allgemeinen Stenographenverein» auszutreten.
Diese «ketzerischen Anträge» geben Anlass zu langen Diskussionen, die in der Fassung einer Resolution enden:

1. Die AHV vom 3. März 1946 stellt fest:

a)

Die «Aktiva» kann die Stenographie als obligatorische
Zweckbestimmung nicht mehr anerkennen und beantragt eine
entsprechende Statutenänderung.
b)
Die alten Herren wünschen eine Lösung, die den Zweck
Stenographie beibehält.

2. Die Versammlung beschliesst:

a)
Die Bemühungen, eine für beide Teile tragbare Lösung zu
finden, sind fortzusetzen.
b)

Die «Aktiva» unterbreitet dem AH-Vorstand die abgeänderten
Statuten zur Beschlussfassung an der nächsten Hauptver-
sammlung.

Im Altherren-Verband zeichnen sich zwei Lager ab, die sich hauptsächlich um die Sektion Zürich und Bern gruppieren. Die Zürcher halten stur an der Stenographie als Verbindungsideal fest. Die Berner Sektion ist gemässigter. So schreibt ihr Sprecher, Chr. Rohrer v/o Witz: «Eine lebendige Aktivitas, auch wenn sie nicht mehr stenographiert und vielleicht sogar den Namen ändert, ist doch sicher einer toten oder zum Sterben verurteilten «stenographierenden» Aktivitas vorzuziehen. Wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir zugeben, dass die meisten von uns nicht wegen der Stenographie in die Stenographia eingetreten sind, sondern aus ganz anderen Gründen.»
Auf die Altherren-Versammlung vom Herbst 1946 hin, unterbreitet die aktive «Stenographia» der AHV eine Eingabe, worin sie Zweck- und Namensänderung verlangt. Sie weist auf die Verhältnisse an den Techniken Winterthur und Burgdorf hin, wo sich die gleichen Erscheinungen zeigten. Werfen wir deshalb kurz einen Blick auf unsere heutigen Schwesterverbindungen:

A) Stenographia Technikum Winterthur:

Auf Intervention des 1879 in Winterthur gegründeten Stenographenvereins hin, fasste der Erziehungsrat im Jahre 1887 den Beschluss, die Stenographie als obligatorisches Unterrichtsfach an der Handelsschule und als fakultatives an den übrigen Abteilungen des Technikums einzuführen. Damit war der Boden für eine Vereinsgründung geebnet, und es entstand am 17. Februar 1888 der Stenographenverein «Technikum», der sich dann später «Stenographia» nannte. Auch hier schwand die Begeisterung für die Kurzschrift, so dass am 22. November 1924 zur Namens- und Zweckänderung geschritten wurde. Die «Kyburgia Technikum Winterthur» übernahm als Rechtsnachfolgerin die Farben grün-weiss-blau der ehemaligen «Stenographia».

B) Stenographia Technikum Burgdorf:

Sie ist die jüngste «Stenographia», wurde sie doch erst am 20. Februar 1913 gegründet. Dagegen ist sie die älteste der heutigen drei Schwesterverbindungen, indem der Namens- und Zweckwechsel schon im Jahre 1920 vollzogen wurde. Die «Stenographia» wurde aufgelöst und ihre Farben rot-weiss-gold von der «Kyburgia Technikum Burgdorf» übernommen.
Wie in Winterthur, so machte auch in Burgdorf der Altherren-Verband die Namens- und Zweckänderung mit!

II. Studentenverbindung «Kyburgia Biennensis»

1. Trennung: Herbsttagung in Biel, am 3. November 1946. In Anbetracht der schicksalsschweren Entscheidung erfogt ein noch nie dagewesener Aufmarsch: 82 Altherren, 21 Aktive und 1 Inaktiver finden sich im Hotel de la Gare ein. Neben den Anträgen der Aktivitas auf Statuten- und Namensänderung verblassen alle anderen Traktanden. Die Regie der Zürcher Sektion klappt vorzüglich! Sie lässt alle ihre Prominenten auf die Versammlung, insbesondere auf die Aktivitas einhämmern: Dolce, Prügel, Krach, Terz, Lieto und Bummel erklären, ein Fallenlassen der Stenographie und eine Namensänderung kämen gar nicht in Frage. Die Aktivitas bleibt fest, sie verlangt eine klare Lösung. Nach endloser Diskussion wird am Nachmittag zur Abstimmung geschritten. Ein Verlangen vieler AHAH nach geheimer Abstimmung wird statutenwidrig einfach unter den Tisch gewischt, und um den Druck auf Unentschlossene noch zu verschärfen, wird unter Namensaufruf abgestimmt. (Ein Verfahren, das in den Statuten nirgends verankert ist!)
Es ergeben sich:
44 Neinstimmen: Atlas, Bär, Biondo, Bock, Bummel, Dolce, Durst, Falk, Fidelio, Fink, Frösch, Funk, Gaba, Hamlet, Hegel, Hektor, Jack, Krach, Lieto, Mani, Mix, Moll, Omar, Pi, Pic, Pompeyus, Prügel, Radio, Radium, Rotschild, Schluck, Schrapnell, Spunt, Strubel, Sumpf, Susa, Tell, Terz, Tiger, Trumpf, Titan, Tito, Zamora, Zapf.
29 Jastimmen: Ampère, Asti, Billy, Bugatti, Butz, Castor, Fidu, Gambrinus, Ghandi, Jux, Klex, Kiel, Orlow, Pascha, Plus, Rax, Safran, Saxo, Sibo, Spatz, Splint, Tips, Titus, Ufa, Uto, Witz, Zipfel, Zorro, Zyt.
6 Stimmenthaltungen: Avus, Blitz, Fix I, Stramm, Schneid, Phönix.
Damit sind die Anträge der Aktivitas abgelehnt, das Prestige der Zürcher Stenographianer ist gerettet; Was die Aktivitas für den Fall einer Niederlage mit dem damaligen Altherren-Vorstand (Vorort Biel) vereinbart hatte, vollzieht sich: Das AP Toga verabschiedet sich mit der Aktivitas mit den Worten: Die gesamte Aktivitas meldet sich vom Altherren-Verband der «Stenographia» ab, worauf nach Extrinken die Aktivitas geschlossen das Lokal verlässt. Damit war die Trennung vollzogen, und der 3. November 1946 ist zugleich der Gründungstag der «Kyburgia Biennensis».

2. Vom Kampf bis zur Anerkennung: Mit dem Austritt der gesamten Aktivitas und deren Konstituierung als «Kyburgia Biennensis», hatte die «Stenographia» am Tech. Biel aufgehört zu existieren. Dies bestätigte auch der Gründer der «Stenographia», Bummel, indem er im «Stenograpianer» Nr. 1 vom 1. Februar 1947 schrieb: «An der Altherren-Versammlung vom 3. November 1946 wurde zur Abklärung der Verhältnisse der eventuellen Neugründung einer «Aktiva» mit dem Namen «Stenographia» eine fünfgliedrige Kommission bestellt.»
Die Aktivitas der «Kyburgia» durfte sich deshalb mit Recht als Nachfolgerin der erloschenen «Stenographia» betrachten, was darin zum Ausdruck kam, dass sie die Statuten den neuen Verhältnissen und dem neuen Namen entsprechend abänderte, ihre Farben violett-gold-rot weiterführte und selbstverständlich ihre Verbindungsutensilien weiter benutzte.
Wie zu erwarten war, wurde diese Auffassung vom AHV der «Stenographia» nicht geteilt. Er sagte der «Kyburgia» den Kampf an und versuchte, die Technikumsdirektion und die Aufsichtskommission zu veranlassen, der «Kyburgia» die Genehmigung zu versagen. Dolce verlangte sogar von der Technikumsdirektion, sämtliche Mitglieder der «Kyburgia» seien aus dem Technikum auszuweisen! Der «Kyburgia» wurde wegen «Farbenmissbrauch und unberechtigter Benützung fremden Eigentums» mit gerichtlicher Klage gedroht.
Die junge «Kyburgia» kümmerte sich nicht um diese Drohungen. Ein von ihr eingeholtes Rechtsgutachten lautete eindeutig zu ihren Gunsten. Trotzdem behändigte der AHV der «Stenographia» die Verbindungsutensilien und rollte an der Altherren-Versammlung vom 2. März 1947 den Stammtisch aus dem Stammlokal (Hotel Seeland).
Um den ewigen Anrempelungen des AHV der «Stenographia» ein Ende zu bereiten, änderte die Jungkyburgia die Farben ab in dunkelblau-gold-rot.
Nun war auch die Zeit zur Konstituierung eines Altherren-Verbandes gekommen. Die Gründungsversammlung fand am 22. März 1947 im Hotel «Walliserhof» zu Biel statt. Als erstes AHP amtete Christian Rohrer v/o Witz.

3. Entwicklung: In der Entwicklung kommt die Tatkraft der jungen Kyburgia zum Ausdruck. Der Wille, sich vom Schülerverein zu distanzieren und die wirkliche Verbindung unter Beweis zu stellen, lässt sie Jahrzehnte überspringen. Die Herbst-Altherrenversammlung 1947 erteilt Castor den Auftrag, Statuten für die Gesamtverbindung aufzustellen. Ferner erscheint im Mai desselben Jahres bereits die erste Nummer des «Kyburger». Der GC genehmigt die Satzungen 1949 und legt sie zur Sanktionierung (was die Aktivitas betrifft) den Technikums-Behörden vor. Diese stellen fest, dass unsere Statuten nicht gegen das Technikum-Reglement verstossen und genehmigen sie dadurch. Die Kyburgia bestätigt dies mit Schreiben vom 5. September 1949 an den Präs. der Aufsichtskommission Hr. Dr. A. Meier.
1948 geht die Leitung der Verbindung in junge Hände über. Der neue Vorstand sorgt dafür, dass die Initiative nicht erlahmt.
Die Sektion Bern und Biel bilden sich. 1949 beschliesst der AHC eine Fahne anzuschaffen, die am 14. Mai 1950 im Rahmen eines öffentlichen Aufmarsches eingeweiht wird.

In der Folge die wichtigsten Ereignisse in Kurzform bis 1997:

1951Die Couleurkarte nach Entwurf von Pfus und ausgearbeitet von Franz Fiechter geht in Druck.
1952Gründung der Sektion Zürich.
Im selben Jahr beschliesst der AHC die Anschaffung von Fläusen.
1953Gründung der Sektion Grenchen.
1954Der «Kyburger» erscheint in neuem Gewand – broschiert mit farbigem Umschlag.
1955Engere Fühlungsaufnahme mit Winterthur und Burgdorf betr. Kartell.
1956Herausgabe des Comments und eines eigenen Kommersbuches. Als Verfasser und Gestalter des Kyburger Kommersbuches haben sich die Kommilitonen Zipfel, Pfus, Ruin und Kreide verdient gemacht.
Möblierung des aktiven Stammes mit eigenem Mobiliar (Tisch, Stabellen, Präs.-Stuhl).
1957Am 5. Mai feiert die Kyburgia Biennensis in Biel ihr 10-jähriges Jubiläum unter AHP Bugatti.
Der Fechtunterricht wird endgültig eingeführt und obligatorisch erklärt.
Gleichentags findet die Gründung des Kyburger-Kartells mit der «Kyburgia Winterthur» und «Kyburgia Burgdorf» statt. Die «Kyburgia Lucernensis», gegründet 1961, wurde am Kartell-Convent 1962 als 4. Mitglied aufgenommen.
Gründung des Fonds pro Kyburgia.
Gründung der Sektion Aarau.
1959Einweihung des Kyburgerkellers im Restaurant zur Pfistern in der Bieler Altstadt.
Uebergabe einer Standarte an den Fuxenstall.
1961Unter AHP Kreide fand die erste Statuten- und Commentrevision statt.
Taufe der Kyburgia Lucernensis.
196350 Jahre Kyburgia Burgdorf.
1968Anlässlich des Kartell-Convents auf der St. Petersinsel wurde unter AHP und Kartellpräsidium Zar die von der Kyburgia Biennensis gestiftete Kartellfahne feierlich geweiht.
1971Die Aktivitas hat Nachwuchsschwierigkeiten. Es wird eine Studiengruppe 71 unter Leitung von Pernod eingesetzt.
10 Jahre Kyburgia Lucernensis.
1972Unter der Leitung von AHP Lerch feiert die Kyburgia Biennensis ihr 25. Jubiläum. In einem feierlichen Akt wurde die, wiederum von unserem Pinsu geschaffene, neue Fahne geweiht.
1974Aufgrund der Untersuchungen der Studiengruppe 71 wurde der permanente «Bildungsausschuss» gegründet.
1977Der Kartellconvent in Thun feiert das Jubiläum 20 Jahre Kyburger-Kartell.
Der Vorort geht an die Kyburgia Biennensis, während deren Amtsperiode neue Statuten und Richtlinien des Kartells geboren wurden.
1982Unser AHC/GC findet zum 20. Mal auf der St. Petersinsel statt.
1984Der Herbst AHC wird in Zukunft als Herbst-Anlass ohne die ordentlichen Traktanden durchgeführt.
1987Unter der Leitung von AHP Left feiert die Kyburgia Biennensis ihr 40-jähriges Jubiläum.
1988100 Jahre Kyburgia Winterthur
1990100 Jahr-Feier Ingenieurschule Biel.
1991Eine neu gegründete Finanzkommission arbeitet eine neue Finanzstrategie aus.
1994Beat Rohrbach v/o Butz erreicht als erster Kyburger die Würde eines Doktor Cerevisiae.
199750 Jahre Kyburgia Biennensis.
Der Festtag, mit der Fahnenweihe der neuen und 3. Fahne, stand unter der Leitung von OK-Präsidium Wäcki.